Seite:Zerstreute Blaetter 6.pdf/321

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Daß ich oft dich, ihnen zu Gefallen,

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(Sprach die Mutter) wider mein Gewissen

Schalt, und du rechtfertigtest dich niemals.“ –

     Porphyrite war sogleich entwichen;
Ihr bedünkte diese Hochverehrung
Spott und Wahnsinn. Wohin sie gegangen?

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Was sie ferner litt? wo sie gestorben?

Davon schweigt die Chronik unsres Klosters.

     Nur dem großen und vollkommnen Denker
Pyoterius entwich das hohe
Bild nicht ganz. Und wenn er über Thabors

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Unerschaffnen Glanz und über alle

Seraphsflügel dachte, stand ihm plötzlich
Porphyrite da, die Selbstvergeßne,
Immer nur geschäftig für die Menschen,
Fröhlich stets und schweigend; nie vergnügter,

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Als wenn sie verachtet und verkannt war.

Vor ihm stand sie mit der schlichten Binde,
Die mit seiner Krone Gott gekrönt hat.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/321&oldid=- (Version vom 1.8.2018)