Seite:Zerstreute Blaetter 6.pdf/99

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
130
Der Strebenden, sei unser Geist ein Ton

Im Chorgesang der Schöpfung, unser Herz
Ein lebend Rad im Werke der Natur.

     Wenn einst mein Genius die Fackel senkt,
So bitt’ ich ihn vielleicht um Manches, nur

135
Nicht um mein Ich. Was schenkt er mir damit?

Das Kind? den Jüngling? oder gar den Greis?
Verblühet sind sie, und ich trinke froh
Die Schale Lethens. Mein Elysium
Soll kein vergangner Traum von Misgeschick

140
Und kleinem, krüpplichten Verdienst entweihn.

Den Göttern weih’ ich mich, wie Decius,
Mit tiefem Dank und unermeßlichem
Vertrauen auf die reich belohnende,
Vielkeimige, verjüngende Natur.

145
Ich hab’ ihr wahrlich etwas Kleineres

Zu geben nicht, als was sie selbst mir gab,
Und ich von ihr erwarb, mein armes Ich.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)