Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung | |
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je unähnlicher sie uns sind oder je entfernter sie von uns leben; den hochmüthigen Wahn indessen, daß das geringste Thier in seinen Wirkungen und Fähigkeiten ein dem Menschen ganz Ungleichartiges sei, sollte endlich die stolze Unwissende, die Metaphysik aufgeben: denn er wird durch die Naturgeschichte reichlich widerlegt. In ihrem ganzen Habitus des Lebens sind Thiere Organisationen, wie es der Mensch ist; es fehlt ihnen nur die menschliche Organisation, und das große Werkzeug unsrer abstrahirten, symbolischen Erinnerungen, die Sprache.
Also ists eigentlich nicht des Wunderbaren wegen willkührlich ersonnen, daß Thiere sprechen; a)[1] es war ein alter Glaube des sinnlichen Wahns der Menschen, der durch das Ansehen der Sage bekräftigt, sich von den ältesten Zeiten
- ↑ a) Breitingers Meinung in seiner lehrreichen Critischen Dichtkunst, Abschnitt 7.
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_128.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)