Seite:Zerstreute Blaetter Band I 133.jpg

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ich den Reiz der Gegend beschreibe, interessirt sie nur sehr von fern; und doch ist in uns die Neigung da, unser Vergnügen zur Sprache zu bringen, und dieß klare Bild andern mitzutheilen. Woher dieser Trieb? und wozu legte ihn die Natur in das Herz des Menschen? Sein Ursprung zeigt seinen Zweck und der Zweck seinen Ursprung. Durch die Worte nämlich gewinnet unsere Empfindung gleichsam Form und Gestalt: unser Gefühl wird durch sie ein helleres Bild; dieß vermehrt und verfeint, ja gewissermaßen es verewigt unser Vergnügen, weil nur durch diese hellere Zeichen eine Ernennung und Reproduction desselben statt findet. Dieß, dünkt mich, sind die Zwecke dieses Triebes für uns selbst; die Zwecke für andere fallen mehr ins Auge. Bald ist es Geselligkeit und Freundschaft, bald die süße Lust des Ruhmes, bald ists die Absicht, durch eine angenehme Idee des andern Weisheit oder Freude zu vermehren — lauter Empfindungen, die sich zuletzt in das sanfte, aber sehr mannichfaltige Gefühl der Sympathie und Philanthropie

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)