Seite:Zerstreute Blaetter Band I 135.jpg

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Freude und Ruhmbegierde. Die Empfindung des Betrübten, der seine Seufzer mir zuhaucht, weckt menschliche Mitempfindung. Ich gehe einem Grabe vorüber, und nehme Theil an dem Unglücklichen, der diese Grabschrift setzte. Er vertraute sich dabey auch meinem Herzen an, und wie sollte ich mit ihm nicht gern wenigstens die Bürde eines Seufzers theilen?

     Es erhellet von selbst, daß jeder Gegenstand der freudigen oder traurigen Empfindung seine eigne Art des Ausdrucks sowohl nach dem Gefühl des Empfindenden, als dem Standpunkt dessen habe, an den der Ausdruck gelangen soll. Allenthalben wird eine Exposition des Gegenstandes oder des Gefühls erfordert, mit welcher der Empfindende sich oder einen andern zu beruhigen gedenkt; nachdem nun aber der Gegenstand zusammengesetzt oder einfach, seltner oder gemeiner ist, nachdem er mehr den Verstand oder das[WS 1] Herz interessiret, u. f. nach dem allen wird sich die Inschrift richten, die der Seele des Empfindenden ein Bild geben, oder seinem Herzen


  1. Vorlage: as
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)