Seite:Zerstreute Blaetter Band I 142.jpg

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Dadurch bekam nicht nur jeder sonst todte Gegenstand Stimme und Leben; sondern es war auch die nächste Gelegenheit zu angenehmen Dichtungen gleichsam gegeben. Die alte Fiction dorfte nur fortgesetzt, gewandt, angewandt werden: so ward aus dem alten Mährchen ein neuer Gedanke, ein anmuthiges Lob, eine sich einschmeichelnde Lehre. Ein Volk, das keine alten Sagen hat, oder dem sie nicht gegenwärtig, oder bey dem sie barbarisch und häßlich sind, wird keine dergleichen National-Dichtungen über Gegenstände der Natur, Blumen, Bäume, Spiele, Künste, Geschäfte, in welche alle sich Götter gemischt hatten, haben. Setze man nun noch den regen Aberglauben hinzu, der diese Götter gegenwärtig glaubte und jeden Gott in seinen Beruf zog: dieser alte Hirt hieng seine Flöte dem Pan auf; jener alte Krieger seinen Helm dem Mars oder der Minerva: alle Geschenke, alle Dankopfer foderten wenigstens einige Worte einer erklärenden Zuschrift; abermals eine Menge Stof zu Epigrammen der schönsten Art. Die Anthologie hat viele dieser

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)