Seite:Zerstreute Blaetter Band I 148.jpg

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schweige der einfachen Buchstaben und der sanften Mischung von Vokalen und Consonanten, die auch auf Denkmälern eine Aufschrift so lesbarer macht, als es die Unsre nie werden kann; ich will hier nur vom poetischen Wohlklange derselben zur Inschrift reden. Wie biegsam ist sie zu jedem Bilde, zu jeder Empfindung! wie biegsam insonderheit zu dem schönen Maaß, das sich das Epigramm gewählt hat! Hexameter und Pentameter winden einen Kranz in Worten, wie sie dem Ohr in Sylben einen vollendeten Rundtanz geben. Welche Sprache kann sich solcher Sylbenmaaße rühmen? Selbst die Römische nicht; und in der Deutschen versuche man es, wie manche Mühe die Uebersetzung eines Epigramms, insonderheit in seinem Pentameter koste. Unsre Prosodie starrt von einsylbigen unbestimmten Worten: Hiatus sind in ihr fast unvermeidlich, und wenn der Vers seine Flügel mit fröhlichem Spiel auf- und zuschlagen soll: so schleppt sie sich oft in mühsamen Gange daher, treu dem Himmel, unter dem sie ertönet. Den Griechen hatte die Muse

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_148.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)