Seite:Zerstreute Blaetter Band I 150.jpg

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oder wie ein Pfeil in die Lüfte versauset. Glückliche Sprache, die so vollkommene, ihr zur Natur gewordne Gedankenformen in sich hat! der wilde Dichter wird von ihnen in Schranken gehalten, und auch der mittelmäßige auf ihren Schwingen gehoben. Die Anthologie ist Zeuge, wie sehr sich die witzigen Griechen an dieser Form übten, wie oft sie Einen und denselben Gedanken mit einer neuen Wendung zu sagen versuchten.

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     Endlich das sanfte Maaß der Menschlichkeit, das dieser wohlgebildeten Nation in ihrem gemäßigten Himmelsstrich zu Theil worden war; es wirkte auf ihre Poesie im Größten und Kleinsten. Die Seele des griechischen Epigramms ist Mitempfindung. Man muß einen Gegenstand genießen, ihn mit Liebe oder Ruhe anschauen, ihn gleichsam mit- und durchempfinden können, damit er in und aus uns rede; auch hierinn, wie in manchen andern, ist die Poesie eine Schwester der griechischen Kunst. Sowohl zur Hervorbringung

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)