Seite:Zerstreute Blaetter Band I 256.jpg

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Lethe geblieben, und käme uns jetzt nicht in einem andern Körper wieder. Haben sie aber nicht auf sich Acht gegeben, wie sich die Seele immer ingeheim beschäftigt: wie sie insonderheit in der Kindheit und Jugend Plane macht, Gedanken vereinigt, Brücken baut, Romane aussinnet, und im Traum alles mit Zauberfarben des Traums wiederholet? Sehen Sie jenes Kind stille spielen und sich mit sich unterhalten. Es spricht mit sich selbst: es ist in einem Traum lebhafter Bilder. Diese Bilder und Gedanken werden ihm einst wiederkommen, zu einer Zeit, wenn es sie nicht vermuthet, und nicht mehr weiß, woher sie sind. Sie werden ihn mit der Dekoration der ganzen Scene erscheinen, in der es sie dachte, oder die ihm gar ein jugendlicher Traum anschuf. Die Situation wird die Seele angenehm täuschen, wie jede leichte und Ideenbringende Zurückerinnerung täuscht: man wird sie für eine Eingebung ansehen, weil sie wirklich wie Eingebung aus einer andern Welt, d. i. reich an Bildern und ohne Mühe kommt. Ein einziger Zug des jetzigen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_256.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)