Seite:Zerstreute Blaetter Band I 305.jpg

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zuletzt verachtet, entweder weil man sie mißverstehet, oder weil man sich vor ihr fürchtet. Ohne sie aber wüßte ich nicht, was aus dem zahlreichen Heer der Geschöpfe unter uns, unsern so charakteristischen und fein empfindenden Halbbrüdern im Feld und Walde, werden sollte.

     Ch. Was aus ihnen werden sollte? Sie wandern in neue Formen ihrer Gattung; sie werden feinere Rehe, feinere Vögel.

     Th. Also auch feinere Tieger, Affen und Wölfe, und am jüngsten Tage stehen diese mit auf, uns zu begleiten? Es ist doch nicht Ihr Ernst, mein Freund, sich die innerste Schöpfung, die immer fortgehende neue Schöpfung, nach des seligen Ritter Linne Klassenbüchern[1] zu denken?

     Ch. Mein Ernst nicht, aber unser Freund Harmodius ließe sich über diese Meynung tödten.

     Th. Nun, da stürbe er sehr unschuldig: denn mit unsern Klassificationen reicht es nicht weit. Sie sind für unsre Sinnen, für unsre



  1. Carl von Linné: Systema naturae, Ludg. Batav., 1735.


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_305.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)