Seite:Zerstreute Blaetter Band I 339.jpg

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die Zunge am lieblichsten lüstern, oder wie Lukrez von einem andern Sinn sagt:

     voluptatem praesagit multa cupido.

So ists mit dem Genuß der Düfte, ja selbst der Töne. Wir ziehen sie in uns, wir trinken den Strom ihrer Wollust mit langen Zügen: und nur dann sagen wir, daß wir Musik genießen, wenn sie unser Herz zerschmelzt, wenn sie mit dem innern Saitenspiel unsrer Empfindungen Eins wird. Der Strom des Wohllauts, so fein er sey, wird indeß auch verschlungen; er dauert etwa nur in den harmonischen Wirkungen, in den angenehmen Vibrationen fort, die er auf uns machte. –

     Je geistiger der Genuß ist, desto dauernder wird er, desto mehr ist auch sein Gegenstand außer uns dauernd. Lasset uns aber auch immer dazu setzen, desto schwächer ist er: denn ein Gegenstand ist und bleibt außer uns und kann eigentlich nur im Bilde d. i. wenig oder gar nicht mit uns Eins werden. Das Auge

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_339.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)