Seite:Zerstreute Blaetter Band I 342.jpg

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müssen (und ja auch nicht anders genossen werden können;) nicht aber von einer wahnsinnigen Vergeistung der Körper, aus der oft nur zu grobe Verkörperung wird. Daß dieser Genuß nicht geistig sey, sehen wir daraus, weil er den Körper zerstört, und den Geist nicht befriedigt: er sündigt am Nervensaft, wie die zu grobe Liebe an Fleisch und Blut sündigt; und zeigt also eben damit, daß er kein wahrer Genuß, keine glückliche Beschauung der Art sey, wo der geliebte Gegenstand mit uns Eins wird. Wie kann, was Körper ist, mit dem reinen Geist Eins werden? zwo Dinge, die eigentlich nichts mit einander gemein haben, und nur durch eine Art freywilliger Trunkenheit, wie die Griechen dichteten, ursprünglich vermischt werden konnten. Geistige Eigenschaften und Gegenstände kann der Geist genießen; ihre Vereinigung mit ihm ist rein und so ruhig, als jener alte Hymnus Gott sprechen läßt: Alles ist mein: denn ich habe es in mir! – ein Besitzthum und ein Genuß, dessen die Seele nur bey den reinsten Gegenständen fähig

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_342.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)