Seite:Zerstreute Blaetter Band I 343.jpg

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ist. Da fliegt und kostet sie als ein schöner Schmetterling, der bey seinem Genuß der Blume nicht schadet: wo sie als Raupe genießt, zerfrißt sie leider! Blätter und Blume.

     Wir fangen also von den wahreren Gattungen des geistigen Verlangens, der Freundschaft und Liebe zu reden an, und ich hole, nachdem was Hemsterhuis von ihnen gesagt hat, nur wenige Züge nach.

     Das Bild der Alten von der Freundschaft, „die beyden in einander geschlungenen Hände“ scheinen mir das beste Sinnbild ihrer Vereinigung, ihres Zweckes und Genusses zu seyn; bedeutender, als die zwey „gleichgestimmten Saitenspiele.“ Diese drücken nichts aus, als Geselligkeit, die lange noch nicht Freundschaft ist. Ein geselliger Mensch ist leicht- und wohlgestimmt, er stimmt sich selbst leicht zu jeder Gesellschaft, und so stimmt sich auch diese leicht zu ihm. Er drückt niemand mit seinem Daseyn, er verengt keinen; und so ist jedermann gern um ihn: man ist auch auf einen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_343.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)