Seite:Zerstreute Blaetter Band I 366.jpg

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Sorge für die Zeit entgegengesetzt wäre, und ein glücklicher Staat anders als aus lauter glücklichen Individuen bestehen könnte. Das erste wird nur eine sehr übel verstandne Pfaffenreligion behaupten; im zweyten Fall kann ja das Individuum für nichts als seine Wohlfarth sorgen, und überläßts dem, der die Maschine (wie Hr. Hemsterhuis selbst einen Staat nennt) eingerichtet hat, oder aufzieht, wie Er fürs Ganze derselben zu sorgen Lust und Kraft habe. Daß die Gesetzgeber die christliche Religion fast von jeher gemißbraucht, und mit ihren barbarischen Feudal[1]- und Ritterverfassungen übel gemischt haben, ist in der ganzen christlichen Geschichte schreyend; daran hat aber die Religion nicht Schuld, sondern die groben Hände, die sie in diesen heterogenen politischen Teig kneten wollten. Religion ist, wie Hemsterhuis recht gesagt hat,[2] die freye Beziehung jedes Individuums aufs höchste Wesen; die ihr mit dem Namen einer politischen Maschine Ehre erzeigen



  1. Vorlage: Fendal
  2. S. 112.


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)