Seite:Zeumer Die Goldene Bulle.pdf/182

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hinwegsehen, weil Ludwigs des Älteren Recht mit seinem Tode erlosch; wie es denn ja auch in Wirklichkeit bei seinen Lebzeiten zu keiner Königswahl mehr gekommen ist.

So war die Frage, welche der Kaiser bei Eröffnung des Nürnberger Tages gestellt hatte, wer unter den Laien Kurfürst sei, vollständig entschieden, und zwar nach einem Prinzip entschieden, welches Karl selbst schon seit längerer Zeit bei seinen Bestrebungen, jene Frage ihrer Lösung entgegenzuführen, praktisch betätigt hatte, daß nämlich nur der das Kurrecht haben solle, der das Fürstentum, auf welchem die Kur beruhe, rechtmäßig besitze. Dieses Prinzip lag der Anerkennung des alleinigen Kurrechts Ruprechts I. am 22. Mai 1354, und ebenso der wahrscheinlich schon früher ergangenen und am 3. Dezember 1355 nur wiederholten Anerkennung Ludwigs des Römers zu Grunde. Für die Entscheidung über die streitige sächsische Kur konnte Karl nicht in gleicher Weise den Besitz des Kurlandes entscheiden lassen, weil hier ja gerade streitig war, welcher Teil der sächsischen Länder als Träger des Kurrechts zu gelten habe. Karl erkannte das Haupt der Wittenberger Linie, Herzog Rudolf den Älteren, der ihn selbst und seinen Großvater gewählt hatte, als rechtmäßigen Inhaber der Erzmarschallwürde und des sächsischen Kurrechts, und damit zugleich das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Wittenberg als das sächsische Kurland an.

Es war ein Beweis von Karls staatsmännischem Scharfblick, und ich möchte fast sagen, historischem Instinkt, daß er die ursprüngliche Grundlage, auf welcher einst die Theorie den Gedanken vom weltlichen Kurrecht aufgebaut hatte, in voller Reinheit wieder zur Anerkennung zu bringen suchte. Die im Sachsenspiegel ausgeführte Theorie gründete das weltliche Kurrecht auf das Erzamt und dieses auf das Fürstentum, welches somit die Grundlage für beides bildete. Diese Grundlage war aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten, indem die kurfürstlichen Geschlechter sich gewöhnten, wie das Fürstentum, so auch Erzamt und Kurrecht als einen Gesamtbesitz ihres Hauses anzusehen, über welchen sie im wesentlichen frei wie über Privateigentum verfügen könnten. Die Schicksale, welchen die pfälzische und die brandenburgische Stimme durch die Hausverträge der Wittelsbacher ausgesetzt worden waren, zeigten, welche Gefahren aus einer solchen Behandlungsweise dem Kurrecht erwuchsen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/182&oldid=- (Version vom 1.8.2018)