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von Böhmen und Kurfürst hinzufügte, was entsprechende Willebriefe der andern Kurfürsten voraussetzt. Zur Ausstellung dieser Willebriefe ist es aber anscheinend nicht mehr gekommen. Hierfür spricht schon der Umstand, daß kein einziger solcher Willebrief erhalten ist, mehr aber noch, daß jene Urkunde Gerlachs von Mainz vom 2. Januar 1356 bezeugt, daß über das Kurrecht des Herzogs Rudolf von Sachsen von Kaiser und Kurfürsten ein Weistum gefunden wurde, welches sich inhaltlich fast ganz mit dem Privileg deckte. Mehr oder weniger gleichlautende Urkunden stellten dann auch die Kurfürsten von Köln, Trier und Brandenburg am 8. und 9. Januar aus. Eine entsprechende Urkunde des Pfalzgrafen Ruprecht I. ist vielleicht nur nicht überliefert. Offenbar sollte der Gesamtwillensakt des Kurfürstenkollegiums und dessen Beurkundung durch die einzelnen Kurfürsten die Zustimmung mittels der Willebriefe ersetzen. Als es weiter galt, auch das Kurrecht Ruprechts I. und Ludwigs des Römers nochmals anzuerkennen, verzichtete der Kaiser ganz auf die Ausstellung neuer Privilegien und begnügte sich, an dem Akte der Urteilfindung über das Kurrecht der beiden Fürsten im Kreise der Kurfürsten teilzunehmen und wie diese das Urteil zu beurkunden. Hier ist also das von Kaiser und Kurfürsten gefundene und beurkundete Weistum ganz an die Stelle von Privileg und Willebriefen getreten. Sehen wir dann, wie der Kaiser gleichzeitig mit jenen beiden Weistümern für Pfalz und Brandenburg am 7. Januar sich die Rechte des Böhmenkönigs in Hinsicht seiner Landeshoheit durch ein Weistum der Kurfürsten bestätigen und dasselbe von ihnen beurkunden ließ, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß Karl diese neue Form der Anerkennung für den geeigneten Ausdruck der kurfürstlichen Autonomie hielt.

Karl IV. hat die Kurfürstenweistümer und ihre Anwendung zur Entscheidung wichtiger Fragen des Reichsrechts und speziell des Rechts der Kurfürsten nicht erst erfunden. Ja, dürfen wir den Worten des Renser Weistums trauen, und ich sehe keinen Grund zu Zweifeln, so war die Weistumfindung im Kurfürstenkolleg schon vor dem Abschluß des Kurvereins von

Rense im Juni 1338 Sitte.[1] Es entspricht aber Karls Anschauungen


  1. Prout moris est ipsorum principum, diffinitive dixerunt, iudicaverunt et diffiniendo pronunciaverunt.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/186&oldid=- (Version vom 1.8.2018)