Über Ursprung und Bedeutung des unter dem Namen der
Goldenen Bulle bekannten Reichsgesetzes haben in den wesentlichsten
Punkten Zweifel nie bestanden. Die ersten 23 Kapitel
hat Kaiser Karl IV. am 10. Januar 1356 auf dem Nürnberger
Reichstage publiziert und am 25. Dezember desselben Jahres
auf einem Reichstage zu Metz noch eine Anzahl ergänzender
Kapitel hinzugefügt. Durch dieses bis zum Ende des heiligen
römischen Reiches als dessen vornehmstes Fundamentalgesetz anerkannte
Gesetz wurde das Recht der Königswahl dauernd festgelegt,
die hervorragende Stellung der Kurfürsten gesichert, und
das Zeremoniell für die feierliche Repräsentation des Reiches
bei den großen Reichsfesten für alle Zeit geordnet. Über diese
Punkte hinaus aber herrschten und herrschen im einzelnen viele
Zweifel und Dunkelheiten, die auch durch die ziemlich reiche
neuere Spezialliteratur über die Goldene Bulle keineswegs völlig
behoben sind, wenn auch manche Fragen durch tüchtige Einzeluntersuchungen
bereits endgültig gelöst erscheinen. So schien es
mir wünschenswert, die Frage nach Ursprung und Bedeutung
der Goldenen Bulle noch einmal im Zusammenhange unter
Heranziehung des gesamten Quellenmaterials zu untersuchen und
die gesicherten Resultate eigener und fremder Forschung in einer
größeren Darstellung zusammenzufassen.
Bei der Frage nach dem Ursprung mußten schon aus praktischen Gründen gesondert behandelt werden der Ursprung der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes im ganzen. Damit aber ergab sich die Einteilung der nachfolgenden Arbeit von selbst. In einem ersten Kapitel werden die einzelnen Bestandteile des Gesetzes, die einzelnen
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)