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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     „Herr König! so rief er mit freundlichem Wort,

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     dem Greise das Scepter, dem Jüngling das Schwert!

     Was treibet, was jaget zum Kampfe euch fort?
     Was hat euch die zitternde Rechte bewehrt?
Sprecht, König, und führt ihr die Fehde mit Rechten,
so will ich gern euere Sache verfechten.“

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     Da sinket dem König das Schwert aus der Hand,

     und er schaut auf den Ritter getrösteten Sinns:
     „Ja – ruft er – euch hat mir der Himmel gesandt!
     Ihr werdet mich retten vom blutigen Zins!“
Drauf gibt er getreulich mit jammerndem Munde

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dem Ritter vom Drachen die traurige Kunde.


     Der Ritter Georg vergewissert ihn fest,
     er wolle versuchen den fährlichen Strauß,
     und schwinget kampflustig die Lanze und läßt
     sich führen zum Ende des Dörfchens hinaus.

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Dort sieht er vom Haine herüber den Drachen

entgegen sich schnauben mit gähnendem Rachen.

     Wie fletscht er die Zähne, wie rollt er den Schweif,
     als wollt’ er sich schlingen um Ritter und Roß,
     wie wälzt er im furchtbar geschlängelten Reif

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     mit zischender Zung’ auf den Ritter sich los.

Doch dieser weicht klüglich, und bohret behende
dem Drachen die Lanz’ in die schuppige Lende1).


[Ξ] 1)

Diese erste Wunde soll der Drache erhalten haben auf dem jetzigen Thomaskirchhofe, wo noch jetzt der Ritter im Kampfe mit dem Drachen über der Thür eines Hauses gemalt zu sehen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 009. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_009.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)