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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Da rief die Prinzessin den Hufschmidt wohl schnell,
     der Hufschmidt gehorchte gar eilig dem Ruf,
     und brachte ein anderes Eisen zur Stell’,
     und verband und beschlug dann aufs Beste den Huf,

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und als nun dem Rosse geholfen, da scheidet

der Ritter, vom Danke der Menge begleitet.

     Nachschaut’ ihm der König, und sagte alsdann
     zum Schmidt: „Such’ Hammer und Nägel hervor,
     und heft’ an die Linde das Eisen dort an,

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     das im Kampfe das Roß von dem Hufe verlor,

und mach’ eine Blende, dem Roste zu wehren,
und männiglich soll es hoch halten in Ehren!“ –

* * *


     Prinzessin und König im Grabe tief hat
     verschlafen manch frohe, manch traurige Zeit,

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     das Dörfchen ist worden zur prächtigen Stadt;

     das Hufeisen hat sich erhalten bis heut.
An der Nicolaskirche, da ist es zu sehen,
als Zeichen, daß Alles wahrhaftig geschehen.4)







[13] 4)

Ritter Georg, Sanct Georg, hat Inseln, Städten und Flüssen seinen Namen leihen müssen. Er soll ein Prinz aus Kappadocien gewesen, und nach der allgemeinen Legende einen Lindwurm bei der Stadt Silea in Lydien besiegt, und so eine Prinzessin vom Tode errettet und geheirathet haben. Viele wollen unter dem Lindwurm die Sarazenen, und unter der Prinzessin die Christengemeinde verstanden wissen. Die Kampfscene aber eignen sich viele Städte zu, vorzüglich Leipzig, wie wir gesehen haben. Von Leipzig soll der Ritter Georg sich nach Staupitz, sonst ein Dorf zwischen Leisnig und Döbeln begeben, und in Steinau bei Hartha sich ansäßig gemacht haben. Dort soll er einst, von Feinden auf den Spitzstein getrieben, Gott, wenn er davon käme, eine Kirche gelobt haben, und sodann herab von dem hohen Felsen zu Pferde in die Mulde gesprungen seyn, im Herabspringen aber einen Bogen Papier fliegen lassen, und als er gerettet war und denselben in der Gegend des jetzigen[14] Dorfes Nauenhayn bei Leisnig wiederfand, soll er die Kirche daselbst erbaut haben; daher auch sein Bildniß immer noch in dieser Kirche zu sehen ist. Unchronologisch genug läßt die Legende den vermeintlichen Bekämpfer der Sarazenen als Märtyrer in der Diocletianischen Christenverfolgung 303 enthauptet werden.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_012.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)