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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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Wie schaut ihn bis zur Brücke nach,

          wie ängstet sich die Menge,
          ob man ihn noch durch Stränge
     zu retten dort vermag.

Seht, nun, der Brücke nicht mehr fern,

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          ist er dem Tod entgangen!

Jetzt wird sein Hoffen auf den Herrn
          gerechten Lohn empfangen.
Ha, seht, wie greift er tiefbewegt
          und schweigend zur Trompete,

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          die seines Herzens Rede

     an beide Ufer trägt.

Er bläßt, wie wenn den nahen Tod
          er Lügen wollte strafen:
„Ein’ feste Burg ist unser Gott,

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          ein’ gute Wehr und Waffen.“

Wie schaurig tönt der Wiederhall! – –
          Hilf Gott! die Schollen haben
          ihn sammt dem Roß begraben
     im wilden Fluthenschwall. –

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Gerechter Gott, bist du gerecht?

          Hast du das Lied vernommen?
War seine Frömmigkeit nicht ächt?
          Hilfst du wohl deinen Frommen?
Gerecht ist Gott wohl immerdar,

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          was auch geschehen möge,

          doch seiner Weisheit Wege
     sind – wunderbar.






Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 020. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)