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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Drauf hetzt er den Rappen mit Peitsche und Sporn,
     doch sonder Bewegen und Regen;
steht das Roß, und stemmet sich kräftiglich vorn
     der entsetzlichen Tiefe entgegen.

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Und der Knappe sprengt voller Bestürzung heran:

„Was soll das, Herr Ritter? Was ficht euch an?
     Ihr stürztet, that Gott nicht ein Wunder,
                    hinunter!“

„Das ist nicht der Weg einen Mord zu bereu’n,

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     der Selbstmord führet zur Hölle!

Mög’ Gott euch den Frevel gnädig verzeih’n.
     Jetzt rasch und hinweg von der Stelle!
Laßt rathen euch, Ritter, und höret mich an,
ich hab’ euch ja immer zum Besten gethan!

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     Gott zeiget durch mich euch die Pfade

                    zur Gnade.“

„In’s heilige Land hin lasset uns zieh’n,
     um Vergebung zu flehen und bitten,
dort lasset uns beten und jammern und knie’n,

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     dort, wo einst der Heiland gelitten.

An des heiligen Vaters hochheilgem Thron
in Rom, da erflehet euch Absolution!
     Dort ist die Vergebung der Sünden
                    zu finden!“

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So poltert der Knappe in ängstlicher Hast,

     und starr und versunken in’s Sinnen,
schweigt der Ritter dazu eine ziemliche Rast,
     und hält kaum die Thränen noch innen.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 034. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_034.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)