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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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„Ei ja!“ Die Andern stimmten bei:

     „Und wenn die Knospen blühen,
da wird kein Freier ungetreu
     dereinstens von uns fliehen.
Nur daß Niemand ein Wörtchen spricht,

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sonst hilft uns Sanct Andreas nicht.

     Komm, Trudchen! In den Gerten
     wird dir mehr Hoffnung werden!“

Doch Trudchen wollte nicht mit fort,
     ihr war’s so angst und bange,

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sie gaben ihr manch gutes Wort,

     doch sträubte sie sich lange,
bis denn zuletzt der Vater spricht:
„Geh, Trudchen, mit, und fürcht’ dich nicht,
     was mit dir soll geschehen,

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     dem kannst du nicht entgehen.“


Drauf schlichen all sie zum Gesträuch
     gar still und stumm und leise,
und Jede brach sich ihren Zweig,
     umglast’ von sprödem Eise.

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Jetzt kam auch Trudchen an die Reih’:

– „Hilf, Jesu Christ, und steh mir bei!“ –
     Ein Nix, ach! zog Gertruden
     hinunter in die Fluthen. –

Zwei Spannen nur vom Wasser stand

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     der Zweig, den sie sich knickte,

kein Wunder, daß der Nixenhand
     der Raub der Dirne glückte.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)