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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Wohl gräßlich ist des Feuers Wuth,
     doch rettet aus ihr schnelle Flucht;
     weh aber, wenn des Meeres Fluth
     im Aufruhr ihre Opfer sucht!

5
Es strecket die Arme so fürchterlich weit,

und giebt zum Entrinnen nicht Raum noch Zeit. –

     Das große, weite Mittelmeer
     durchfurcht ein Schiff mit schnellem Kiel,
     vom heil’gen Lande kommt es her,

10
     Venedig ist der Landung Ziel.

Wie schwellen die Segel vom Morgenwind,
wie rühren die Ruder sich so geschwind!

     Die welsche Mannschaft freute sich,
     daß ihre Fahrt so glücklich wär’,

15
     des Schiffes Hauptmann aber schlich

     voll bangem Ernst am Bord umher,
und sprach zu den Leuten: „Seid rüstig und wacht,
hart wird es hergehen in kommender Nacht!“

     Kaum sinkt der Abend auf das Meer,

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     da wird die Luft so schwül und lau,

     und graue Wolken, regenschwer,
     umzieh’n des Himmels reines Blau,
und umlagern das Schiff wie ein drohender Wall,
als wollten sie’s fangen, all überall.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 083. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)