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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     und sicher durch das glatte Meer!
Was innige Liebe verzweifelt begehrt,
die heilige Jungfrau hat’s gnädig erhört.

     Nach sieben Tagen lief das Schiff

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     im Hafen von Venedig ein,

     und immer mächtiger ergriff
     den Ritter Wolf der Liebe Pein;
er kaufte ein wackres arabisches Roß,
das eilends ihn trüge zum heimischen Schloß.

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     Und als er glücklich heimgekehrt,

     da grüßt ihn treuer Liebe Gruß,
     sein hocherfreuter Schwäher wehrt
     ihm nicht mehr Kunigundens Kuß,
und giebt gern den Bitten der Liebenden nach,

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und beraumet zur Hochzeit den zwanzigsten Tag.


     Wolf aber, dem Gelübde treu,
     das er der heil’gen Jungfrau that,
     schafft freudig alles Gold herbei,
     das er in seinen Säckeln hat,

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läßt bauen vom Bildner für reichlichen Sold

ein sauberes Schiffchen, und füllt es mit Gold.

     Drauf als die zwanzig Tage voll,
     und freudighell das Traugeläut
     von Ebersdorf herüber scholl,

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     da eilte Wolf im Feierkleid

zur Trau, an der Rechten sein Liebchen hold,
in der Linken das kostbare Schiffchen voll Gold.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 087. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)