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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

und wenn sein wässriger Verstand
drin, wie der Rhein im Sand, verschwand,
da hatt’ er öfters kein Gehör
für alle seine Gäste mehr.

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Einst saß er auch, fest aufgestemmt,

bei seinem Buche, sieh, da kömmt
ein bairischer Trompeter an,
der kaum vor Durst noch giebsen kann,
und fordert eine Kanne Bier,

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und Heu für’s Pferd und Nachtquartier;

jedoch der Wirth hört nicht, und drob
wird Claus – so hieß der Baier – grob.

Das bringt den Wirth vom Buche auf,
er holt das Bier, und setzt sich drauf

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platsch! wieder hin, und liest, wie vor;

sein Haarzopf sträubt sich starr empor,
er summt und brummt in sich gekehrt,
sein Angesicht scheint hochgelehrt,
als fehlte ihm zur Quadratur

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des Zirkels noch das Facit nur.


Lang schaut den wunderlichen Mann
gleichgültig der Trompeter an,
doch endlich platzt er laut heraus,
und schüttet sich vor Lachen aus:

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„Nein, sagt mir nur, was les’t ihr da

für eine Mordhistoria?
Es will mir scheinen fast, verzeiht!
als wärt ihr nicht so recht gescheidt.“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)