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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

In Geithain an der Kirche,
     da ist, in Stein gehau’n,
ein Knabe der Currende
     bis diesen Tag zu schau’n.

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In seines Mantels Falten

     wächst gelbes Lebermoos,
und immer noch betrauert
     die Stadt sein schrecklich Loos. –

Wo morgenwärts am Giebel

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     die Viertelglocke hängt,

da war tief in den Balken
     ein Dohlennest gezwängt.
Drin waren junge Dohlen,
     die zwitscherten so sehr,

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und darnach stand der Knaben

     unseliges Begehr.

Einst nach dem Abendläuten,
     da steigen sie hinauf.
Wie blicken zu dem Neste

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     die losen Knaben auf!

Sie können nicht hinüber,
     und nicht zum Nest hinan,
und sprechen zu einander:
     „Wie fangen wir das an?“

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Sie schieben drauf zum Fenster

     ein langes Bret heraus,
und dreie halten’s hinten,
     und einer steigt hinaus.
Er hält sich an die Balken,

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     und tritt zum Neste hin,

und spricht: „Es sind drei schwarze
     und auch ein weißes drin“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)