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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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gab nicht einen rothen Heller

     für das arme Bergvolk her,
geitzte mit dem Häuerlohne
     bald mit jeder Woche mehr.

Doch des Himmels Segen weilet

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     nur in des Gerechten Haus!

Bald, dem Geitzigen zur Strafe,
     ließen alle Gänge 3) aus,
und auflässig 4) ward die Grube,
     alle Häuer machen Schicht,

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bitten um den Rest der Löhnung,

     aber sie empfah’n ihn nicht.

Teller schied mit bittern Thränen
     von dem bösen Grubenherrn.
„Was beginn’ ich? – Betteln? – Stehlen? –

60
     Lieber Gott, das sey mir fern!“

Und mit christlich frommen Sinne
     trug der Häuer seine Noth,
Alles mußte er verkaufen
     um das liebe Bischen Brod.

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Als das Licht des Ostermorgens

     in den Raum der Hütte drang,
und sein Weib in Fieberswehen
     ächzend mit dem Tode rang,
als der unverständ’ge Kleine

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     weinerlich nach Speise schrie,

und die beiden ältern Knaben
     muthlos weinten, wie noch nie:


[Ξ] 3)

Gänge sind die wichtigste Art von erzhaltigen Lagerstätten.

4) auflässig ist eine Grube, wenn sie, gewöhnlich weil die Ausbeute die Kosten nicht deckt, nicht mehr bebaut wird. Der Besitzer der Grube zeigt es dem Bergamt an, nimmt das auf seine Kosten Angeschaffte wieder aus der Grube, das Bergamt kann nun das Bergwerk vergeben, und wer zum weitern Bebauen desselben Lust hat, sich beim Bergamt melden.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_143.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)