Seite:Ziehnert Sachsens Volkssagen II 151.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Mächtig wirkte seine Kunde,

270
     ihres Fiebers Schmerz entwich,

neu erglühten ihre Augen,
     ihre Wangen färbten sich.

Wenig Wochen drauf vermochte
     schon zur Zeche sie zu geh’n,

275
um dort all das lust’ge Treiben

     ihrer Häuer anzuseh’n.
Die empfingen sie mit einem
     ungeheuchelten Glückauf,
denn in Tellern ging dem Bergvolk

280
     eine schöne Hoffnung auf.


Täglich hob sich Tellers Reichthum,
     bald war er im ganzen Land
als der reichste Eigenlöhner 14)
     und der beste Herr bekannt.

285
Nie vergaß er seine Armuth,

     nie des Reichthums große Pflicht,
in der Noth war er dem Bergvolk
     stets ein tröstlich Grubenlicht. 15)

* * *

In der Wiesenthaler Kirche

290
     steht ein Häuer, schön geschnitzt,

der mit starker Hand und Schulter
     nimmermüd’ ein Betchor stützt.
Das ist Teller. Heut noch steht er
     in der Häuerkleidung da,

295
wie an jenem Ostermorgen

     er sich selber stehen sah.


[Ξ] 14)

Eigenlöhner sind diejenigen, welche auf eigne Kosten, oder in Gesellschaft mit Andern, die nicht über drei seyn dürfen, eine Grube bebauen.

15) Grubenlicht, ein Licht, das in der Grubenblende (einer kleinen hölzernen, nur auf einer Seite offnen Laterne) steckt, welche mit dem an der hintern Seite befindlichen Haken in ein Knopfloch des Grubenkittels gehängt wird. Es ist dem Bergmann die einzige Leuchte in den gefährlichen Finsternissen der Teufe.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)