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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Nur der Fichten Wipfel glühten
     noch im goldnen Abendschein;
immer schaute noch der Jüngling
     sinnend in den Quell hinein.

155
Immer sanfter, immer milder

lächelten der Zukunft Bilder
     aus dem Quell in seinen Blick,
da vernahm er nahe Tritte;
durch der Fichten dunkle Mitte

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     kam der fromme Greis zurück.


Wohlzufrieden flog sein Auge
     durch der Beete saubern Kreis,
und mit freudigmildem Blicke
     lobt’ er seines Schülers Fleiß,

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brach zum Nachtmahl dann die besten

reifsten Aepfel von den Aesten,
     pflückte Schoten noch dazu,
und als solches war genossen,
und die Gartenthür verschlossen,

170
     gingen Beide still zur Ruh.


Mitternacht war schon vorüber;
     auf der Lagerstatt von Moos
schliefen, noch im ersten Schlafe,
     Beide sanft und sorgenlos.

175
Da ward’s draußen plötzlich rege,

just, als ob der Zaun zerbräche,
     und der Klausner wurde wach.
Aengstlich lauscht’ er, was es werde –
still war Alles, und er hörte

180
     nur ein tiefes dumpfes Ach.


Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_194.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)