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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Rüttelnd weckt er seinen Schüler,
     und erzählt, was er gehört;
aufspringt Boleslav, und zündet
     rasch das Windlicht, und bewehrt

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sich mit seinem Schwert. Drauf gehen,

um zu seh’n, was wohl geschehen,
     Beide in des Gärtchens Flur;
unter einem Apfelbaume
lag auf blutgetränktem Raume

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     eine menschliche Figur.


Dippold bebt. Der Jüngling leuchtet
     mit dem Lichte näher hin:
„„Ha, ein Dieb! Seht da, das Körbchen!
     die gestohl’nen Aepfel drin!

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Seht, wie da die Aeste liegen!

Der ist auf den Baum gestiegen,
     und wohl hoch herabgestürzt.
Wimm’re, sollst nicht lange wimmern!
Will den Schädel dir zertrümmern,

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     daß dein Leiden sich verkürzt!““


Zornig zuckt er mit dem Schwerte,
     doch der greise Klausner hält
ihm den Arm: „Halt ein, Verwegner!
     Bist zum Richter du bestellt? –

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Weg das Schwert, und laßt uns eilen,

daß wir ihn vielleicht noch heilen!
     Faßt ihn nur behutsam an!“
Boleslav gehorcht. Sie schlagen
in die Mäntel ihn, und tragen

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     in die Klause ihn hinan.


Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)