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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Bei Glauchau ist ein großer Teich,
     und nahe an des Teiches Rand
     ist eine Höhl’, an Schätzen reich,
     die Räuberhöhle nur genannt,

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weil dort vor vielen vielen Jahren

verrufne Räuberbanden waren.
     Bei jener Höhle noch dabei
     steht eine große Schäferei.

     Dort dient einmal ein armer Hirt,

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     der hat ein einzig Söhnlein nur,

     das spielt, sobald es Abend wird,
     am Teiche auf der grünen Flur.
Wie hat’s der Arme schlecht hienieden!
muß eines Fremden Schafe hüten,

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     und weiß sein eigen Kind allein

     und ohne alle Obhut seyn!

     Der Knabe Veit war erst elf Jahr,
     doch schon ein recht verwegnes Blut.
     Er kam wohl öfter in Gefahr

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     durch seinen unbesonn’nen Muth.

Oft stand er lange vor der Höhle,
und dachte so in seiner Seele:
     „Ja, fänd’ ich nur den Weg zurück;
     ich lief’ hinein mal auf gut Glück.“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_227.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)