Seite:Zuckermann Mathematisches im Talmud 16.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

in ihren praktisch geometrischen Aufgaben nicht fremd war, aber nicht den eigentlichen Kern ihrer Forschungen auf geometrischem Gebiete bildet.

     2) Dass der Talmud in seinen Discussionen mathematischen Inhalts nicht den ganzen mathematischen Apparat mit Voraussetzung, Behauptung und Beweis vorführt, hat seine Ursache darin, dass man sich allgemein bei gelehrten Controversen blos mit der Anführung der Lehrsätze begnügen muss. Das Wissen des Beweises wird beim Gegner vorausgesetzt, oder ihm das Auffinden desselben überlassen. Wenn man nun noch hinzunimmt, auf welcher Stufe in der talmudischen Zeit die Mathematik bei den Griechen sich befand, so wird es gar nicht auffallen, wenn Beweise mathematischer Sätze unter Personen, bei denen man Sachkenntniss voraussetzt, nicht angeführt werden. Die Sprache des Talmuds, deren er sich bei Anführung von Rechnungen und mathematischen Sätzen bedient, übertrifft an lakonischer Kürze die präcise Ausdrucksweise, welcher die Mathematiker sich bedienen, und es ist kein kleines Verdienst der Commentatoren, jene räthselhaft ausgesprochenen Sätze erklärt zu haben.

     3) Was die Darstellung der im Talmud vorkommenden mathematischen Themata betrifft, so ist Folgendes zu beachten: Eine allgemeine Schwierigkeit in der Auffassung dieser Literatur liegt bekanntlich in dem häufigen Wechsel des Schauplatzes der Handlung, in der damit zusammenhängenden Verschiedenheit des sprachlichen Ausdrucks und in den heterogenen Stoffen, die in Betracht gezogen werden. Wenn man nun das Talmudstudium in der neueren Zeit und in der Gegenwart betrachtet, so bemerkt man, dass im Allgemeinen weder viele Mathematiker von Fach, noch eine grosse Zahl Solcher, welche mathematische Kenntnisse in etwas vorgeschrittenem Masze besitzen, sich tiefer eingehenden Studien im Talmud hingeben. Es ist daher die bekannte Thatsache leicht erklärlich, weshalb die Talmudbeflissenen über talmudische Themata, worin Mathematisches enthalten ist, mit einer gewissen Abneigung hinwegschlüpfen oder auf Treu und Glauben das daraus gewonnene Resultat annehmen. Nach dieser

Empfohlene Zitierweise:
Benedict Zuckermann: Das Mathematische im Talmud. Breslau: , 1878, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zuckermann_Mathematisches_im_Talmud_16.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)