Seite:Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer 10.png

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Löhe’s geäußert hatte: die Bittschrift für ihn müsse man mit dem eigenen Blut unterzeichnen – war des festen Glaubens und äußerte ihn auch, daß seine Leiche einmal der Herr „Vikar“ halten müsse. Und wirklich kam es so. Mehrfach waren es gerade die schwierigsten Fälle, die ihn bei solchen Amtshandlungen trafen. Stets wußte er mit großem Takt seiner Aufgabe sich zu entledigen, Milde zu üben und doch der Wahrheit nichts zu vergeben. Ueberhaupt hatte er die Gabe, das rechte Wort zur rechten Zeit zu finden. Das zeigte sich besonders in den Aussegnungsreden seiner Zöglinge, am öffentlichsten vielleicht in seiner Predigt zum 50jährigen Jubiläum der Gesellschaft. – Wieder in anderer Weise als in seinen Predigten konnte er in seiner Lehrthätigkeit an der Missionsanstalt für die Bewahrung und Fortpflanzung des geistlichen Erbes von Dettelsau wirken, indem er eine große Anzahl von Schülern durch Unterricht, seelsorgerische Besprechungen und sonstigen Verkehr damit bekannt und vertraut machte. Freilich mußte er oft empfinden, wie wenig die Schilderung der Vergangenheit im stande sei, für die entschwundene Sache selber Ersatz zu bieten; aber in dem beschränkten Gebiet des Anstaltslebens selber war er bestrebt, die gute alte Weise der Dettelsauer Richtung festzuhalten und das gelang ihm auch trotz manchen Kampfes mit widerstrebenden Elementen. Sein Unterricht in den theologischen Fächern war ungesucht erbaulich und ein empfängliches Gemüt nahm aus den Unterrichtsstunden etwas für Herz und Leben mit. Doch war er nicht allein Lehrer, sondern zugleich auch Seelsorger seiner Schüler und väterlicher Versorger. Bei der vielfachen Berührung zwischen beiden Teilen bildete sich in den meisten Fällen ein persönliches Verhältnis aus, obwohl die Anstaltseinrichtung ein familienhaftes Zusammenleben nicht ins Auge faßt. An dem überkommenen Lehrstoff arbeitete er unablässig weiter und suchte sich auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Besonderen Fleiß verwandte er auf die Darstellung der Ethik. Hier ließ er auch seine eigenen Lebenserfahrungen und die in seiner Prüfungsschule gewonnene Erkenntnis zu Wort kommen. In den sonntäglichen Abendgottesdiensten der Zöglinge pflegte er – wenn auch nicht ganz regelmäßig – kurze freie Vorträge

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer. C. H. Beck, Nördlingen 1897, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zum_Ged%C3%A4chtnis_des_Herrn_Johannes_Deinzer_10.png&oldid=- (Version vom 20.7.2016)