Seite:Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer 19.png

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wieder nicht die gewöhnliche Weise, in der er redete, da er aussprach was sein Herz erfüllte, seinen letzten Willen kundgab und Abschied nahm, voll gehaltener Ruhe, während Alles um ihn weinte. Er sprach als einer, der den Fuß schon auf die Schwelle der Ewigkeit gesetzt hatte. Im Blick auf das Leid seines Lebens, so bekannte er, sei der Grundton seiner Stimmung: „Meine Schuld, meine große Schuld.“ Er bezeichnete sich als einen ungetreuen Knecht. Wer ist vor Dir gerecht? Er hieß den Gliedern der Gesellschaft sagen, daß er sich als armen Sünder bekenne, daß er aber auch im Glauben an die Gnade stehe, an der er, wie er mit Dank gegen Gott aussprach, nie gezweifelt habe. Er hieß die Brüder in der Nähe und Ferne grüßen, und redete dann noch manches herzliche Wort mit den Seinen. Es war ein Aufleuchten der letzten Lebenskraft, wie bei manchem Frommen des alten Testamentes. In der Nacht auf den Montag steigerte sich die Pein der Schlaflosigkeit bis zum Unerträglichen. Da betete er: „Laß ab von mir, Herr, daß ich mich erquicke, ehe denn ich von hinnen fahre. Du hast mir ein reiches Maß von Leiden eingeschenkt nach Deiner Gerechtigkeit, erquicke mich nach Deiner Barmherzigkeit.“ Da schenkte ihm Gott gegen Morgen die Gnade eines halbstündigen tiefen Schlafes, welchen er in der Frühe den Seinen als eine Erquickuug aus dem Paradies rühmte, und daher stammte sie auch, wiewohl die Seinen sein Ende nicht so nahe dachten. Kurz vor 10 Uhr empfing er noch den Besuch des Vorstandes vom Diakonissenhaus, dessen ganze Gemeinde herzlichen Anteil an seiner Krankheit genommen hatte; als derselbe unter anderem zu ihm sagte: „Nicht allein wir – die Kirche des guten Bekenntnisses, so weit sie von Ihrer Erkrankung weiß, betet, daß der HErr in dieser letzten bösen Zeit Seinen Knecht ihr erhalte,“ antwortete er: „O wie viele Teilnahme, gefrorene Teilnahme ist in dieser Schmerzenszeit aufgetaut. Der HErr hat mich schwer getroffen, mich an Mark und Bein geschüttelt, aber die viele treue Teilnahme thut wohl.“ Als Herr Rektor mit dem Worte: „Auf Dich habe ich gehoffet, HErr, zu Schanden werde ich nicht in Ewigkeit“ von dem Kranken sich verabschiedete, erwiderte dieser: „Ja, so soll’s ein, mag Er mich lassen oder nehmen. Gott sei mit

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer. C. H. Beck, Nördlingen 1897, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zum_Ged%C3%A4chtnis_des_Herrn_Johannes_Deinzer_19.png&oldid=- (Version vom 20.7.2016)