Seite:Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer 27.png

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Leiden; wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf Euch der erste Ausbruch desselben. Und unerwartet und plötzlich kam auch der Tod. Er starb gerade 25 Jahre nach seinem so hoch von ihm verehrten Meister, dem sel. Pfarrer Löhe, und in demselben Monat wie er, als der letzte von denen, die um diesen Großen in Israel sich geschart hatten.

 Mitten aus der Berufsarbeit heraus, ohne langes Siechtum, heimgehen zu dürfen, ist ein schönes Los. Euch aber, Ihr Leidtragenden, ist’s noch wie ein Traum, daß er von Euch gegangen ist, wie ein Traum, aus dem man glaubt, bald erwachen zu müssen und es dann anders zu finden. Ihr erwachet auch, aber zum Leide, Gott gebe es, auch zum Troste.

 „Wohin sollen wir gehen in unserer Not als zu ihm, unserem einigen Heiland und Helfer Jesus Christus,“ so durfte ich dem Entschlafenen noch am Tage vor seinem Tode zurufen, und o mit welcher Inbrunst erhub er seine Augen gen Himmel, mit welcher Sehnsucht seufzte er: „Ja, wohin sonst?“ – Sein Sehnen ist nun gestillt, er ist der Angst und Not entnommen, vor einem langen Siechtum, davor, daß er „eine unnütze Last der Erde werde“, wie er sich einmal sorgend ausdrückte, in Gnaden bewahrt worden. – Sein Ende kam schnell und unerwartet, aber nicht unbereitet fand es ihn; hatte er doch schon bei jenem schweren Anfall den Todeskampf durchgekämpft, hatte er doch damals schon seine Seele gestärkt an dem Aufblick zu dem einigen Heilande und ihn angerufen mit den Worten: „Wann ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir,“ und mit dem Liede, das wir vorhin gesungen haben, und das er selbst noch zu seiner Leichenfeier auswählte: „Wenn mein Stündlein vorhanden ist.“ Gereift in der Hitze der Trübsal – denn nur mit Grauen konnte er an die leibliche Qual jener schweren Nacht denken – durfte er heimgehen. Alles Sehnen seines Lebens ist damit zum herrlichen Abschluß gekommen, und so wird auch Euer Sehnen, Leidtragen und Trübsaldulden einst zum seligen Abschluß kommen, wenn Ihr in Eurem Herzen Euch entschließt, den zu suchen, der Euch heimgesucht hat, wenn Ihr mit Hosea (6, 1) sprecht: „Kommt, wir wollen zum HErrn, denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns

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Hermann von Bezzel: Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer. C. H. Beck, Nördlingen 1897, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zum_Ged%C3%A4chtnis_des_Herrn_Johannes_Deinzer_27.png&oldid=- (Version vom 20.7.2016)