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Bewegung eines Körpers vollständig zu trennen von seinem inneren Zustand, so folgt sogleich, dass eine Constante mit den Eigenschaften der trägen Masse nicht existiren kann. Der Grund hiervon liegt wiederum in der Energie der inneren Wärmestrahlung, welche an der Trägheit des Körpers sicher einen, wenn auch geringen, so doch angebbaren Antheil hat, und zwar mit einem von der Strahlungsdichte, d. h. von der Temperatur abhängigen Gliede. Will man aber die Masse, statt durch die kinetische Energie, durch die Bewegungsgrösse definiren, nämlich als den Quotienten der Bewegungsgrösse durch die Geschwindigkeit, so kommt man zu keinem anderen Resultat. Denn nach den Untersuchungen von H. A. Lorentz, H. Poincaré und M. Abraham besitzt die innere Wärmestrahlung eines bewegten Körpers, ebenso wie überhaupt jede elektromagnetische Strahlung, eine bestimmte endliche Bewegungsgrösse, welche in der gesammten Bewegungsgrösse des Körpers mit enthalten ist. Dieselbe hängt aber, ebenso wie die Strahlungsenergie, von der Temperatur ab, und in Folge dessen auch die durch sie definirte Masse.

Der Ausweg, zwischen „wirklicher“ und „scheinbarer“ Masse zu unterscheiden, und der ersteren allein die Eigenschaft der absoluten Constanz beizulegen, stellt im Grunde nur eine veränderte Formulirung desselben Sachverhalts dar. Denn wenn der „wirklichen“ Masse nun auch die Constanz gewahrt bleibt, so geht ihr dafür auf der anderen Seite ihre bisherige Bedeutung für die kinetische Energie und für die Bewegungsgrösse verloren.

An diese Betrachtung schliesst sich sogleich ein drittes Beispiel, nämlich die Frage nach der Identität von träger und ponderabler Masse. Die Wärmestrahlung in einem vollständig evacuirten, von spiegelnden Wänden begrenzten Raume besitzt sicher träge Masse; aber besitzt sie auch ponderable Masse? Wenn diese Frage zu verneinen ist, was wohl das Nächstliegende sein dürfte, so ist damit offenbar die durch alle bisherige Erfahrungen bestätigte und allgemein angenommene Identität von träger und ponderabler Masse aufgehoben. Man darf nicht einwenden, dass die Trägheit der Hohlraumstrahlung unmerklich klein ist gegen die der begrenzenden materiellen Wände. Im Gegentheil: durch ein gehörig grosses Volumen des Hohlraumes lässt sich die Trägheit der Strahlung sogar beliebig gross machen gegen die der Wände. Eine solche, durch dünne starre spiegelnde Wände von dem äusseren Raum vollständig abgeschlossene, im Übrigen frei bewegliche Hohlraumstrahlung liefert ein anschauliches Beispiel eines starren Körpers, dessen Bewegungsgesetze von denen der gewöhnlichen Mechanik total abweichen. Denn während er, äusserlich betrachtet, sich durch Nichts von anderen starren Körpern unterscheidet,

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Max Planck: Zur Dynamik bewegter Systeme. Verlag der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1907, Seite 544. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Dynamik_bewegter_Systeme.djvu/3&oldid=- (Version vom 24.9.2019)