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Die Species der europäischen Wilden, auch manchmal Proletarier genannt, nähert sich hinsichtlich der Bedeckung am meisten der Civilisation. Sie gehen gewöhnlich nur mit Kopf, Händen, Füßen, Ellbogen und Knieen barfuß, wechseln zu unregelmäßigen Zeiten die Wäsche, indem sie dieselbe umdrehen, waschen sich nur im Nothfall, haben keine bestimmte Beschäftigung, sind sehr grob und führen einen steten Guerillakrieg mit der Polizei. Die Weibchen tragen keine Crinoline, und die Jungen bis zum fünften Jahre das Vorhemdchen auf der verkehrten Seite.

Die Wilden der übrigen Welttheile lassen sich, in ihren allgemeinen Umrissen ziemlich gleich, in zwei Varietäten scheiden, und zwar in solche, die der Civilisation noch fern stehn, und in solche, bei denen sie anfängt Wurzel zu schlagen. Die ersteren gehen, je nach Klima und Ortsverhältnissen, in ihre Nationaltracht gekleidet – entweder in demselben Geschmack wie Adam und Eva vor dem Sündenfall, oder auch bei kaltem Wetter in die Felle und Pelze der erlegten Thiere gehüllt. Dabei führen sie alle Arten von wunderlichen Waffen, und bekriegen sich gegenseitig, ganz wie die civilisirten europäischen Nationen, verschiedener Ansichten wegen.

Hierin verfahren sie aber außerordentlich rücksichtslos, und anstatt sich, wie bei civilisirten Schlachten, mit dem Erschlagen der Feinde und der Erbeutung von Fahnen, Kanonen und Kriegskassen, wie dem Plündern der Städte zu begnügen, nehmen sie als Siegestrophäen, je nach den verschiedenen Sitten und Gebräuchen ihres Landes, verschiedene Körpertheile der überwundenen Feinde in Anspruch. Die Neuseeländer z. B. schneiden den Besiegten die Köpfe ab und räuchern sie als Zierrath für ihre Besuchszimmer. – Die nordamerikanischen Indianer scalpiren die Ueberwundenen, d. h. sie erzeugen bei ihnen eine künstliche Glatze, indem sie den oberen Theil ihrer Kopfhaut mit drei Rundschnitten abtrennen und vom Schädel reißen. Den Scalp trocknen und räuchern sie dann und bewahren ihn zum Andenken an den früheren Gegner auf.

Die Eingeborenen der Insel Luzon und überhaupt der Philippinen – allen Rauchern durch die Manilacigarren bekannt, schneiden den Kriegsgefangenen – bei denen dies überhaupt möglich ist – die Waden ab. – Die australischen Wilden nehmen das Nierenfett der Erschlagenen, reiben sich damit ein und glauben dadurch ihre Stärke zu erlangen. – Verschiedene Negerstämme in Afrika nehmen die Kinnladen der Gefallenen. Andere, ebendaselbst, begnügen sich mit den Zähnen, die sie zu einem höchst unpassenden Korallenschmuck verwenden. Andere wieder schneiden die Ohren, Andere

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Zur Naturgeschichte des Menschen. In: Hausblätter, 1860, 1. Band. Adolph Krabbe, Stuttgart 1860, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Naturgeschichte_des_Menschen-Gerstaecker-1860.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)