Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/11

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Domitian. Ich fürchte, du bist nicht wählbar. Du bist zu sehr schlichten Freuden zugetan.

Cyrill: Vermutlich würde man meine Aufnahme wegen meiner animalischen Triebe ablehnen?

Vivian: Wahrscheinlich. Außerdem bist du ein wenig zu alt. Wer das übliche Alter hat, wird nicht aufgenommen.

Cyrill: Ich denke mir, ihr langweilt euch beträchtlich zusammen.

Vivian: Richtig. Das gehört zu den Zwecken des Klubs. Nun also, wenn du versprichst, mich nicht zu oft zu unterbrechen, will ich dir meinen Artikel vorlesen.

Cyrill: Ich bin sehr begierig.

Vivian (mit einer sehr hellen, wohllautenden Stimme vorlesend): „Der Verfall des Lügens: Ein Protest. – Eine der Hauptursachen, die man für den seltsam ordinären Charakter fast aller Literatur unserer Zeit anführen kann, ist unzweifelhaft der Verfall des Lügens als Kunst, als Wissenschaft und als gesellige Unterhaltung. Die alten Geschichtsschreiber gaben uns reizende Dichtung in der Form der Tatsache; der moderne Romanschreiber beschert uns öde Tatsachen in der Verkleidung der Dichtung. Das Blaubuch wird mehr und mehr sein Ideal für das Verfahren und die Darstellung. Er hat sein widerwärtiges „document humain“, seinen ärmlichen kleinen „coin de la création“, in den er mit seinem Mikroskop hineinstiert. Man findet ihn in der Bibliothèque Nationale oder im British Museum, wo er schamlos seinen Stoff studiert. Ja, er hat noch nicht einmal den Mut zu andrer Leute Ideen, sondern besteht darauf, alles aus dem Leben haben zu wollen, und so arbeitet er zwischen Nachschlagewerken und persönlicher Erfahrung, nimmt seine Gestalten aus dem Familienkreis oder von der Waschfrau, und hat eine Menge nützliche Information