Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/113

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Gilbert: Vom künstlerischen Standpunkt aus ganz gewiß. Und die Hauptsache, warum das Leben von diesem künstlerischen Standpunkt aus verfehlt ist, ist das, was dem Leben seine schmutzige Sicherheit gibt, die Tatsache, daß man nie genau dieselbe Empfindung wiederholen kann. Wie anders ist es in der Welt der Kunst! Auf einem Brett des Bücherschranks hinter dir steht die „Göttliche Komödie“, und ich weiß, wenn ich das Buch an einer bestimmten Stelle öffne, werde ich von grimmigem Haß gegen einen erfüllt, der mir nie etwas getan hat, oder eine große Liebe zu einer Person kommt über mich, die ich nie sehen werde. Es gibt keine Stimmung und keine Leidenschaft, die uns die Kunst nicht geben kann, und die unter uns, die hinter ihr Geheimnis gekommen sind, können im voraus bestimmen, was sie erleben sollen. Wir können unsere Tage einteilen und unsre Stunde erwählen. Wir können zu uns selbst sagen: „Morgen früh wollen wir mit dem strengen Virgil durch das Tal des Todesschattens wandern“, und siehe! der Tag dämmert, und wir sind in dem düstern Wald, und der Mantuaner steht an unsrer Seite. Wir gehen durch das Tor mit der Inschrift, die aller Hoffnung ein Ende macht, und gewahren mit Erbarmen oder Freuden das Grauen der Unterwelt. Die Heuchler gehen vorbei mit ihren gemalten Gesichtern und ihren Kapuzen aus vergoldetem Blei. Aus den unaufhörlichen Stürmen, die sie forttreiben, blicken die Sinnesmenschen auf uns, und wir sehen den Ketzer, der sein Fleisch zerreißt, und den Schlemmer, den der Regen peitscht. Wir brechen die dürren Äste von dem Baum im Haine der Harpyien, und aus jedem düsterfarbenen, gifterfüllten Zweigchen fließt rotes Blut vor unsern Augen, und es schreit laut seine wilden Schreie. Aus einem Feuerhorn spricht