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es nur eine Theorie ist, die überhaupt einen geistigen Wert hat. Eine Idee, die nicht gefährlich ist, verdient es nicht, überhaupt eine Idee zu heißen.

Ernst: Gilbert, du machst mich ganz wirr. Du hast mir gesagt, alle Kunst sei in ihrem Wesen unmoralisch. Willst du jetzt soweit gehen, zu behaupten, alles Denken sei in seinem Wesen gefährlich?

Gilbert: Ja, auf dem Gebiete der Praxis ist es das. Die Sicherheit der Gesellschaft beruht auf der Sitte und dem unbewußten Instinkt, und die Stabilität der Gesellschaft als eines gesunden Organismus ist nur gewährleistet, wenn es unter ihren Mitgliedern keinen hervorragenden Kopf gibt. Die große Mehrheit des Volkes sieht das völlig ein und, fügt sich natürlich dem herrlichen System ein, das sie zum Rang von Maschinen erhebt, und wütet so heftig gegen das Eindringen der Geistigkeit in irgend eine Frage, die das Leben betrifft, daß man versucht ist, eine Definition des Menschen zu geben, wonach er ein vernunftbegabtes Tier ist, das immer wild wird, wenn man es auffordert, in Übereinstimmung mit den Geboten der Vernunft zu handeln. Aber wir wollen das Gebiet der Praxis verlassen und nichts weiter von den elenden Philanthropen sagen, die wir ruhig dem mandeläugigen Philosophen vom Hoangho, dem weisen Chuang-Tsu überlassen können, der gezeigt hat, daß diese wohlmeinenden und widrigen Allerweltsbeglücker die schlichte und ursprüngliche Tugend, die im Menschen lebt, zerstört haben. Sie sind ein langweiliger Gegenstand, und ich beeile mich, in das Gebiet zurückzugelangen, in dem die Kritik eigentlich zu Hause ist.

Ernst: Das Gebiet des Geistes?

Gilbert: Ja. Du erinnerst dich, daß ich von dem Kritiker sprach, der in seiner Weise ebenso schöpferisch sei wie der