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sein, daß er, wenn er uns irgend etwas Wunderbares erzählt, sich verpflichtet fühlt, eine persönliche Erinnerung zu erfinden und sie in einer Anmerkung als eine Art feige Bekräftigung beizubringen. Und unsere andern Romanschriftsteller sind nicht viel besser. Henry James schreibt Belletristik, als ob er eine schmerzliche Pflicht erfüllte, und mit niedriger Motivierung und winziglichen „Gesichtspunkten“ verdirbt er seinen saubern und literarischen Stil, seine erfreulichen Einfälle, seine schlagfertige und beißende Satire. Hall Caine strebt allerdings nach dem Grandiosen, aber er schreibt dann aus vollem Halse. Er ist so laut, daß man nicht hören kann, was er sagt. James Payn ist in die Kunst eingeweiht, das geheim zu halten, was das Finden nicht lohnt. Mit dem Feuereifer eines kurzsichtigen Detektivs hetzt er die Trivialitäten zu Tode. Wenn man seine Bücher durchblättert, wird das Bangen des Verfassers fast unerträglich. Die Pferde an William Blacks Phaeton steigen nicht zur Sonne auf. Sie scheuchen nur das Abendgewölk in grelle Farbendruckeffekte hinein. Wenn die Bauern sie herannahen sehen, flüchten sie sich in den Dialekt. Frau Oliphant plappert vergnüglich von jungen Pfarrern, Lawn Tennis-Partien, Häuslichkeit und andern tristen Dingen. Marion Crawford hat sich auf dem Altar des Lokalkolorits geopfert. Er ist wie die Dame in dem französischen Lustspiel, die dabei bleibt, vom „beau ciel d’Italie“ zu reden. Außerdem hat er die schlechte Gewohnheit angenommen, platte Moral zu reden. Er erzählt uns immer, daß es gut ist, gut zu sein, und daß es schlecht ist, böse zu sein. Manchmal ist er beinahe erbaulich. „Robert Elsmere“ natürlich ist ein Meisterwerk – ein Meisterwerk des genre ennuyeux, der einzigen Literaturgattung, die dem englischen Publikum völligen Genuß gewährt.

Empfohlene Zitierweise:
Oscar Wilde: Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben. Insel, Leipzig 1907, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Gespr%C3%A4che_von_der_Kunst_und_vom_Leben.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)