Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/149

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ursprünglichem Gefühl. Natürlich sein heißt trivial sein, und trivial sein heißt unkünstlerisch sein.

Ernst: Ob du wirklich glaubst, was du sagst?

Gilbert: Warum zweifelst du? Nicht nur in der Kunst ist es so, daß der Körper die Seele ist. Auf jedem Gebiet des Lebens ist die Form der Anfang aller Dinge. Die rhythmischen harmonischen Bewegungen des Tanzes bringen, Plato sagt es uns, Rhythmus und Harmonie in den Geist. Formen sind die Nahrung des Glaubens, rief Newman in einem der großen Augenblicke der Ehrlichkeit, an denen wir den Mann erkannten und um derentwillen wir ihn bewunderten. Er hatte recht, obwohl er vielleicht nicht gewußt hat, wie furchtbar er recht hatte. Die Dogmen werden geglaubt, nicht weil sie vernünftig sind, sondern weil sie immer wiederholt werden. Jawohl: Form ist alles. Sie ist das Geheimnis des Lebens. Finde einem Schmerz Ausdruck, und du gewinnst ihn lieb. Finde einer Freude Ausdruck, und du verstärkst ihre Ekstase. Möchtest du lieben? Bediene dich der ewigen Litanei der Liebe, und die Worte erzeugen das Schmachten, von dem die Welt wähnt, es erzeuge die Worte. Hast du einen Kummer, der dein Herz zerfrißt? Tauche dich in die Sprache des Kummers, lerne seine Ausdrucksformen von Prinz Hamlet und Königin Konstanze, und du merkst, schon der Ausdruck ist eine Art Tröstung, und die Form, die die Gebärerin der Leidenschaft ist, ist auch der Tod des Leidens. Und so, damit wir in das Gebiet der Kunst zurückkehren, ist es die Form, die nicht nur das kritische Temperament, sondern auch den ästhetischen Instinkt erzeugt, diesen unfehlbaren Instinkt, der einem alle Dinge in der Gestalt der Schönheit offenbart. Gehe vom Kultus der Form aus, und es gibt kein Geheimnis