Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/153

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obwohl die Gesetze, auf denen die Kunst ruht, festgelegt und bestimmt sein können, müssen sie, um ihre wahre Verwirklichung zu finden, von der Phantasie zu solcher Schönheit erhoben werden, daß jedes einzelne von ihnen den Anschein der Ausnahme bekommt. Technik ist in Wahrheit Persönlichkeit. Das ist der Grund, weshalb der Künstler sie nicht lehren, der Schüler sie nicht lernen kann, und weshalb der ästhetische Kritiker sie verstehen kann. Für den großen Dichter gibt es nur eine musikalische Technik – seine eigene. Für den großen Maler gibt es nur eine Art zu malen – die er selbst anwendet. Der ästhetische Kritiker, und nur er, kann alle Formen und Techniken würdigen. Er ist es, an den die Kunst sich wendet.

Ernst: Nun habe ich, denke ich, keine Frage mehr an dich zu stellen. Und ich muß jetzt zugeben –

Gilbert: Oh! sage nicht, daß du mir zustimmst. Wenn die Menschen mir zustimmen, habe ich immer das Gefühl, ich muß im Unrecht sein.

Ernst: Wenn es so ist, werde ich dir gewiß nicht sagen, ob ich dir zustimme oder nicht. Aber ich möchte dir noch eine Frage vorlegen. Du hast mir klar gemacht, daß die Kritik eine schöpferische Kunst ist. Was für eine Zukunft hat sie?

Gilbert: Der Kritik gehört die Zukunft. Die Gegenstände, die der schaffenden Kunst zu Gebote stehen, werden von Tag zu Tag an Ausdehnung und Mannigfaltigkeit beschränkter. Die Vorsehung und Walter Besant haben den Alltag erschöpft. Wenn das Schaffen überhaupt weitergehen soll, dann nur unter der Bedingung, daß es weitaus kritischer wird, als gegenwärtig. Die alten Pfade und staubigen Landstraßen sind zu oft begangen worden. Ihr Reiz ist von Füßen, die sich