Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/161

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Leben liebenswürdig und wundervoll, erfüllt es mit neuen Formen und gibt ihm Fortschritt und Mannigfaltigkeit und Verwandlung. Und wenn wir die wahre Kultur erreichen, die unser Ziel ist, dann gelangen wir zu der Vollkommenheit, von der die Heiligen geträumt haben, zur Vollkommenheit derer, die nicht sündigen können, nicht weil sie die Entsagung der Asketen üben, sondern weil sie alles, was sie wollen, tun können, ohne der Seele Schaden zu tun, da die Seele eine so göttliche Wesenheit ist, daß sie imstande ist, in Elemente eines reicheren Erlebens oder einer feineren Erregbarkeit oder einer neueren Denkungsart Handlungen oder Leidenschaften zu verwandeln, die unter den Gemeinen gemein wären oder unter den Ungebildeten würdelos oder unter den Schändlichen lasterhaft. Ist das gefährlich? Ja, es ist gefährlich; ich habe es dir gesagt, alle Ideen sind gefährlich. Aber die Nacht will weichen, und das Licht flackert in der Lampe. Doch eins muß ich dir noch sagen. Du hast dich gegen die Kritik gewandt und hast sie unfruchtbar geheißen. Das neunzehnte Jahrhundert ist lediglich auf Grund der Arbeit zweier Männer, Darwins und Renans, ein Wendepunkt in der Geschichte. Der eine war der Kritiker des Buchs der Natur, der andere der Kritiker der Bücher Gottes. Wer das nicht einsieht, verkennt die Bedeutung eines der wichtigsten Abschnitte im Fortschritt der Welt. Die schöpferische Kunst bleibt immer hinter ihrer Zeit zurück. Die Kritik führt uns. Der kritische Geist und der Weltgeist sind eins.

Ernst: Und wer diesen Geist besitzt oder von ihm besessen ist, ergibt sich vermutlich dem Nichtstun?

Gilbert: Wie die Persephone, von der Landor uns erzählt, die sanfte, sinnende Persephone, um deren weiße