Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/162

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Füße Asphodelos und Amaranten ewig blühen, wird er dasitzen, „in die tiefe, regungslose Ruhe“ ergeben, „die Sterbliche beklagen und deren die Götter genießen.“ Er wird auf die Welt herabsehen und ihr Geheimnis kennen. Er wird göttlicher Dinge kundig sein und so selbst ein Göttlicher werden. Er wird vollkommenen Lebens genießen, und er allein.

Ernst: Du hast mir in dieser Nacht viel seltsame Dinge gesagt, Gilbert. Du hast mir gesagt, daß es schwerer ist, von einer Sache zu sprechen als sie zu tun, und daß ganz und gar nichts zu tun das schwerste Ding in der Welt ist; du hast mir gesagt, daß alle Kunst unmoralisch ist und alles Denken gefährlich; daß die Kritik schöpferischer ist als die schöpferische Kunst, und daß die Kritik höchster Art die ist, die in dem Kunstwerk offenbart, was der Künstler nicht hineingelegt hat; daß jemand gerade darum, weil er eine Sache nicht machen kann, ihr berufener Richter ist; und daß der wahre Kritiker ungerecht, unehrlich und nicht vernünftig ist. Lieber Freund, du bist ein Träumer.

Gilbert: Ja, ich bin ein Träumer. Denn ein Träumer ist, wer seinen Weg nur im Mondschein finden kann, und seine Strafe ist, daß er vor der übrigen Welt den Tag grauen sieht.

Ernst: Seine Strafe?

Gilbert: Und sein Lohn. Doch sieh, der Tag graut schon. Zieh die Vorhänge zurück und öffne die Fenster weit. Wie kühl die Morgenluft ist. Piccadilly liegt wie ein langes Silberband zu unsern Füßen. Ein leichter, purpurner Dunst hängt über dem Park, und die Schatten der weißen Häuser sind rötlich. Es ist zu spät, schlafen zu gehen. Wir wollen nach Covent Garden gehen und Rosen kaufen. Komm! Ich bin des Denkens müde.