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die mehr Illusionen hat als der Träumer, nämlich der Mann der Tat. Er kennt wahrhaftig weder den Ursprung seiner Taten noch ihr Ziel. Von dem Acker, auf den er Dornen gesät zu haben glaubte, haben wir unsere Trauben geerntet, und der Feigenbaum, den er zu unserm Genuß gepflanzt hat, ist so unfruchtbar wie die Distel. Darum, weil die Menschheit nie gewußt hat, wohin sie ging, hat sie ihren Weg finden können.

Ernst: Du meinst also, ein bewußtes Ziel im Reiche des Tuns sei eine Täuschung?

Gilbert: Es ist Schlimmeres als eine Täuschung. Wenn wir so lange lebten, daß wir die Ergebnisse unserer Taten sehen könnten, vielleicht würden die, die sich gut nennen, von tödlicher Reue befallen, und die, die die Welt schlecht heißt, von edler Freude erregt. Jedes kleine Ding, das wir tun, geht in den großen Mechanismus des Lebens über, das unsere Tugenden in Staub zermahlen und sie wertlos machen, oder unsere Sünden in Elemente einer neuen Kultur verwandeln kann, die wunderbarer und glänzender ist als irgend eine frühere. Aber die Menschen sind die Sklaven von Worten. Sie wüten gegen den Materialismus, wie sie es nennen, und vergessen, daß noch jede materielle Verbesserung die Welt vergeistigt hat, und daß es wenige – oder gar keine – geistige Erweckungen in den Völkern gegeben hat, die nicht den Geist der Menschen zu öden Hoffnungen, fruchtlosem Sehnen und leeren oder bedrückenden Glaubensgebilden verkehrt hätten. Was man Sünde nennt, ist ein wesentliches Element des Fortschritts. Ohne sie würde die Welt versumpfen oder alt und farblos werden. Durch ihre Besonderheit vermehrt die Sünde die Erfahrung des Volkes. Durch ihre intensive Betonung des Individualismus rettet sie uns vor der