Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/89

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um ihre Schönheit und sie steht an der Seite des Königs. In seinem Zimmer aus gemaltem Elfenbein hält sich ihr Buhle auf. Er putzt seine prächtige Rüstung und kämmt die Scharlachfeder. Mit Knappen und Pagen zieht ihr Gatte von Zelt zu Zelt. Sie kann sein schimmerndes Haar sehen und hört oder vermeint zu hören seine helle, kalte Stimme. Im Hof unten schnallt der Sohn des Priamus seinen ehernen Panzer um. Die weißen Arme der Andromache sind um seinen Nacken geworfen. Er setzt seinen Helm behutsam auf den Boden, damit ihr kleiner Sohn sich nicht fürchte. Hinter den gestickten Vorhängen seines Zeltes sitzt Achilles in duftendem Gewand, während sich in den Harnisch von Gold und Silber der Freund seiner Seele wappnet, um in den Kampf zu gehn. Aus einem seltsam geschnitzten Kästchen, das seine Mutter Thetis ihm aufs Schiff gebracht hatte, nimmt der Fürst der Myrmidonen den mystischen Kelch, den nie Menschenlippen berührt hatten und schwefelt ihn und kühlt ihn mit frischem Wasser und dann wäscht er erst seine Hände und füllt dann sein glattes Rund mit schwarzem Wein und sprengt das dicke Traubenblut zur Erde zu Ehren dessen, den in Dodona barfüßige Propheten anbeteten, und betet zu ihm und weiß nicht, daß er umsonst betet und daß von den Händen zweier trojanischer Ritter, des Sohnes des Panthous, Euphorbus, dessen Schmachtlocken mit Goldschleifen geziert sind, und des Priamiden mit dem Löwenherzen Patroklus, der Freund der Freunde, sein Schicksal findet. Sind das Phantome? Helden vom blauen Dunst? Schatten in einem Lied? Nein, sie sind wirklich. Tat! Was ist eine Tat? Sie stirbt im Moment ihrer höchsten Energie. Das Tun ist ein niedriges Zugeständnis an die Wirklichkeit. Die Welt ist vom Sänger erschaffen und für den Träumer.