Seite:Zwei Gespräche von der Kunst und vom Leben.pdf/90

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ernst: Wenn du sprichst, scheint mir wahr zu sein, was du sagst.

Gilbert: Es ist wahr. Auf der zerfallenen Burg von Troja sonnt sich die Eidechse gleich einem Stück grüner Bronze. Die Eule hat ihr Nest in den Palast des Priamus gebaut. Über die leere Ebene ziehen der Schafhirt und der Ziegenhirt mit ihren Herden, und wo auf dem weingleichen, öligen Meer, οἶνοψ πόντος, wie Homer es nennt, mit ihrem kupfernen Bug und karminfarbenen Streifen die großen Galeeren der Danaer in glänzendem Halbkreis herangeschwommen waren, sitzt jetzt der einsame Fischer in seinem gebrechlichen Boot und wartet, bis die Korkflosse seines Netzes angezogen wird. Doch an jedem Morgen öffnen sich die stolzen Tore der Stadt, und zu Fuß oder in pferdbespanntem Streitwagen rücken die Krieger in die Schlacht und rufen den Feinden hinter ihren Eisenvisieren Hohnworte zu. Den ganzen Tag über rast die Schlacht, und wenn die Nacht kommt, glühen die Fackeln vor den Zelten auf und die Leuchtpfanne brennt in der Halle. Die in Marmor oder auf gemalter Leinwand leben, kennen vom Leben nur einen einzigen Augenblick, der in seiner Schönheit wahrlich ewig, aber auf einen Ausdruck der Leidenschaft oder eine Stimmung der Ruhe beschränkt ist. Die der Dichter leben macht, haben tausende und tausende Ausdrucksformen von Freude und Schrecken, von Mut und Verzweiflung, von Genuß und von Leiden. Die Zeiten kommen und gehen in frohem oder düsterem Zuge, und mit beschwingten oder bleiernen Füßen schreiten die Jahre vor ihnen her. Sie haben ihre Jugend und ihr Mannesalter, sie sind Kinder und sie werden alt. Der Tag graut der heiligen Helena immer, wie Veronese sie am Fenster gesehen hat. Durch die stille Morgenluft