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Wiederholungen des häuslichen oder öffentlichen Lebens ist, berühren sie je. Man kann von der Dichtung an die Tatsache appellieren. Aber gegen die Entscheidungen der Seele gibt es keine Berufung.

Ernst: Der Seele?

Gilbert: Ja, der Seele. Das ist die höchste Kritik in Wahrheit: Rechenschaft über die eigene Seele eines Menschen. Sie ist fesselnder als die Geschichte, da sie nur von dem Schreibenden selbst handelt. Sie ist reizvoller als die Philosophie, da ihr Gegenstand konkret und nicht abstrakt ist, wirklich und nicht unbestimmt. Sie ist die einzige kultivierte Form der Selbstbiographie, da sie sich nicht mit den Ereignissen, sondern mit den Ideen des Lebens abgibt; nicht mit den körperlichen Zufällen des Lebens, wie Taten und Umständen, sondern mit den seelischen Verfassungen und den Phantasie- und Gefühlserlebnissen des Geistes. Mich belustigte immer die alberne Eitelkeit solcher Schriftsteller und Künstler unserer Tage, die sich einzubilden scheinen, die Hauptaufgabe des Kritikers sei, von ihren mäßigen Hervorbringungen zu schwatzen. Das Beste, was man von den meisten Werken der schaffenden Künste unserer Zeiten sagen kann, ist, daß sie ein klein wenig weniger ordinär als die Wirklichkeit sind, und so wird der Kritiker mit seinem feinen Unterscheidungssinn und seinem sicheren Instinkt für das Geläuterte und Ausgesuchte lieber in den silbernen Spiegel oder durch den gewobenen Schleier blicken und seine Augen von dem Chaos und Lärm des tatsächlichen Lebens abwenden, auch wenn der Spiegel schmutzig und der Schleier zerrissen ist. Sein einziges Ziel ist, von seinen eigenen Impressionen Rechenschaft zu geben. Daß Marmor zu Form gehauen, Bilder gemalt, Bücher geschrieben werden: für ihn geschieht es.