Menschen, sie dienet gerne. Ja dieser Tugend, deren Ziel die heilige Demut ist, war er selbst, der sie uns empfiehlt, das größte Muster und Vorbild. Wer war demütiger als unser hochgelobter HErr und Heiland Jesus Christus? Wer konnte demütiger sein als er?
Was will es aber bei uns viel sagen, wenn wir uns demütigen und herablassen zum niedrigen Dienst. Wir haben keine Höhen, von welchen wir herabsteigen müßten. Die Höhen, welche wir haben, sind erträumte Höhen, aufgeworfen in unserer eigenen Einbildung. Und wenn wir ja Höhen einnähmen, höher ständen als andere, was sind sie gegen die Höhen, welche der HErr Jesus einnahm, bevor, er herab kam ins menschliche Leben. Unsere Höhen sind im besten Fall etwa dagegen wie Maulwurfshügel neben himmelhohen Bergen. Aus was für Höhen aber stieg der HErr hernieder! Aus der Himmelsburg aus des Vaters Schoß und kam in dies Jammertal. Er entäußerte sich selbst, wurde ein Mensch, nahm Knechtsgestalt an sich. Und nicht genug, er stieg noch tiefer hinab, es ging in noch immer tiefere Tale der Selbsterniedrigung und Demut hinein. Er hat sein ganzes Leben im Dienen der Menschheit verzehrt. Er ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene. Er hat dienen für seinen Lebenszweck erklären können. Und in der Nacht, da er verraten ward, ist er so tief herabgestiegen, daß er auch das Gewand des Dienens anzog, die Schürze um sich gürtete und sich vor seinen Jüngern bückte zum niedrigen Sklavendienst.
Aber da war er noch nicht angekommen, wo er stehen bleiben sollte. Es ging noch in immer tiefere Tale, in den Abgrund der Selbsterniedrigung hinein, und dieser Abgrund heißt Tod. „Er ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz. Darum,“ wie der Apostel sagt, „hat ihn auch Gott erhöhet und hat ihm,“ dem demütigen Jesus, „einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der HErr sei zur Ehre Gottes des Vaters.“ Da sehet ihr, wie an dem Lebensgang unsers HErrn und Heilandes die Wahrheit seines Spruches sich bewährt hat, daß, wer sich selbst erniedrigt, erhöhet werden soll. Der Lebensgang des HErrn hat ihn stufenweise hinab geführt in immer tiefere Tiefen,
Johannes Deinzer: Zwei Predigten vom sel. Missionsinspektor Johannes Deinzer. ohne Verlag, Bryan (Ohio) 1908, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Predigten_vom_sel._Missionsinspektor_Johannes_Deinzer.pdf/10&oldid=- (Version vom 30.6.2016)